Schrift ist allgegenwärtig. Ob bewusst oder unbewusst, wir alle konsumieren Typografie tagtäglich in vielfältigster
Form. Dennoch wird der psychologische Einfluss, den sie auf unsere Wahrnehmung hat, immer noch gnadenlos
unterschätzt. Dabei lohnt sich eine sorgfältige Schriftgestaltung nicht nur im Layout und Packaging Design, sondern
auch im Branding und Corporate Design. Wir erklären kurz und bündig, warum Typografie so essentiell für ein
gelungenes Storytelling ist und wie man sie zielgerichtet einsetzt.
Font matters: Schrift ist nicht gleich Schrift
Ob auf dem Handydisplay, im Straßenverkehr oder im Supermarkt – täglich flimmern abertausende Buchstaben über
unsere Netzhaut. Schrift zeigt uns den Weg, übermittelt Daten und Fakten. Dass ihre Gestaltung die Interpretation
der empfangenen Informationen nachhaltig beeinflusst, bemerken wir oft kaum. Denn Typografie weckt unmittelbar
Bilder, Emotionen und Assoziationen, noch bevor der eigentliche Inhalt erfasst werden kann. Ähnlich wie Optik und
Kleidung den ersten Eindruck bestimmen, den eine Person auf uns macht, so „kleidet“ Typografie einen Text und
kann dessen Botschaft unterstreichen, modulieren, oder gar manipulieren. Und genau wie Menschen sind auch Fonts
grundverschieden: Während uns die runden, offenen Formen einer humanistischen Serifenlosen wie der Gill Sans
freundlich und warm erscheinen, so empfinden wir die konstruierten, geschlossenen Letter einer Univers oder Futura
als kühl, technisch und sachlich. Aber nicht nur der Schriftcharakter spielt eine wesentliche Rolle. Durch neue,
digitale Anwendungen ist der funktionale Anspruch an Typografie in den letzten Jahren extrem gestiegen. Ob
Smartwatch, Tablet oder digitales Billboard – moderne Screenfonts müssen in einer Vielzahl von Umgebungen
funktionieren. Klare, einfache Schriftzeichen und ausgewogenen Strichstärken haben sich hier bewährt. Und nicht
zuletzt spielen auch aktuelle Typografie-Trends eine Rolle. Nachdem lange Zeit neutrale, cleane Serifenlosen wie die
Helvetica dominierten, setzen Brands seit einigen Jahren wieder vermehrt auf geschwungene, humanistische
Schriften. In jedem Fall ist die typografische Landschaft heute vielseitiger denn je.
Typografie als Branding Tool
Zurecht genießt Typografie auch im Brand- und Corporate Design einen hohen Stellenwert. Schrift ist neben Farben
und Bildsprache der wichtigste Identitätsstifter im Branding. Gerade in der Werbung machen sich viele Marken
Typografie als subtile, aber äußerst effiziente Waffe zu nutze. Durch bewusste Schriftgestaltung werden Produkte
mit Emotionen und Werten aufgeladen, die die Corporate Identity und das Markenimage transportieren. Zudem hat
jede Branche ihre typografischen Gepflogenheiten, die es zu beachten gilt. Während Biomarken oft organisch
wirkende Schriften im Handmade-Look verwenden, greifen moderne Tech-Brands gern auf cleane, geometrische
Serifenlose zurück. Eine unpassende Schrift kann leicht falsche Assoziationen wecken und so das Vertrauen in die
Marke schwächen. Eine gut gewählte Font untermauert hingegen die Glaubwürdigkeit und Professionalität einer
Brand. Zudem garantiert eine funktionierende Typografie nicht nur eine einheitliche Nutzererfahrung, sie erhöht auch
den Wiedererkennungswert. Im Idealfall wird die Hausschrift sogar zum eindeutigen Markenzeichen – so geschehen
bei der Zeitschrift „Vogue“, deren Typografie bis heute direkt mit Fashion und Style assoziiert wird.
Every type tells a story
Schrift hat das Potenzial, Wörtern eine Stimme zu verleihen und ganze Geschichten zu erzählen: Sie wird zum
„Storyteller“. Beim Lesen erfasst unserer Verstand die reine Bedeutung der Worte, während die Typografie längst
mit unserem Unterbewusstsein kommuniziert, ohne dass wir es überhaupt bemerken. So erzählt uns die kurvige,
beschwingte Typografie des Coca-Cola-Schriftzugs Geschichten von langen, heißen Sommertagen aus dem
Amerika der 50er Jahre, die einem klassischen James-Dean-Film entsprungen sein könnten. Ist das typografische
Storytelling erfolgreich, dann wird das geschriebene Wort nicht mehr nur gesehen, sondern multisensorisch
wahrgenommen: Wir können Typografie auch fühlen, riechen oder schmecken. So wurde in diversen Versuchen
bereits nachgewiesen, dass wir den Geschmack von Lebensmitteln anders beurteilen, wenn uns die runde, weiche
Schrift auf der Verpackung glauben lässt, dass eine Schokolade direkt auf der Zunge zergeht oder eine edle Font in
der Speisekarte suggeriert, dass die Speisen eines Restaurants besonders hochwertig sind.
Typografie hat Charakter und macht Identität sichtbar. Dennoch schöpfen nur wenige Brands ihr enormes Potenzial
voll aus und verschenken dadurch viel Impact. Für ein authentisches Storytelling lohnt es sich, der Schriftgestaltung
einen zweiten Blick zu schenken, damit der visuelle erste Eindruck perfekt gelingt.