Wie ein Branding Hafer zu Gold machte

Wie ein Branding Hafer zu Gold machte

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Loki Preußner

Was entscheidet über den Erfolg einer Marke? Ist es die Qualität der Produkte, der Kundenservice oder die Firmenpolitik? Natürlich tragen all diese Faktoren ihren Teil dazu bei. Was jedoch oft noch immer unterschätzt wird, ist das Branding. Wird der Mensch vor die Aufgabe gestellt, sich für oder gegen etwas zu entscheiden, spielt das Visuelle dabei eine große Rolle. Nur 90 Sekunden hat ein Produkt Zeit, um den Käufer von sich zu überzeugen. Zu 90% bestimmt dabei allein die Farbe, wie diese Entscheidung ausfällt. Natürlich beinhaltet Branding weitaus mehr als reine Äußerlichkeiten. Nur schön oder cool auszusehen, reicht nicht. Auch die Corporate Language, die Art, wie ein Unternehmen mit seiner Kundschaft kommuniziert, ist extrem wichtig. Wird der richtige Ton nicht getroffen, fühlt sich die Zielgruppe auch nicht angesprochen oder im schlimmsten Fall sogar abgeschreckt. Mit einem perfekt abgestimmten, zielführenden Branding kann selbst ein Noname-Produkt innerhalb weniger Jahre oder Monate zum weltweiten Kassenschlager werden.
Eines der besten Beispiele dafür ist Oatly. So ziemlich jeder wird den Haferdrink im Supermarkt schon einmal bemerkt haben, denn mit seinem ungewöhnlichen Packaging sticht er aus den Reihen seiner Konkurrenzprodukte von Kuhmilch bis Sojadrink mühelos hervor. Doch wer glaubt, dass Oatly eine Neuerscheinung ist, liegt völlig daneben. Bereits 1994 wurde die Marke in Schweden gegründet. Am Haferdrink selbst hat sich nichts verändert. Aber warum hat es dann zwanzig Jahre gedauert, bis der Milchersatz über die schwedischen Grenzen in den Rest der Welt überschwappte? Und wie konnte ein unbekanntes Produkt in kürzester Zeit ein kultähnliches Following aufbauen?

Die richtige Masche ist gar keine Masche

Dass minderwertige Produkte Millionen einfahren, ist leider auch heutzutage noch immer ein weitverbreitetes Phänomen. Marketing ist das Zauberwort. Wenn man es schafft, Fellmützen im Sommer zu verkaufen, dann nicht, weil die Mützen so großartig sind. Zum Glück wird es aber immer schwieriger, Verbraucher hinters Licht zu führen, denn sich vor dem Kauf gründlich über Produkte und Marken zu informieren, ist der neue Standard. Der Werbung wird nicht mehr blind vertraut, schon gar nicht, wenn sie plump daherkommt. Qualität zählt, nachhaltige Herstellung und faire Bezahlung der Arbeiter werden in die Kaufentscheidung miteinbezogen und Versprechen müssen gehalten werden, denn Kunden haben ein Auge auf die Machenschaften der Unternehmen und werden laut, wenn sie Unrecht sehen.
Was das mit Oatly zu tun hat? Die schwedische Marke hat genau da angesetzt und die Schwäche der Werbung zu ihrer eigenen Stärke umgewandelt. Als Oatly in den Neunzigern auf den Markt kam, war das Packaging so gewöhnlich wie das jeder anderen Milchalternative, vom Look bis hin zur Aussage der abgedruckten Texte – Zutaten, Füllmenge, was eben nötig und vorgeschrieben ist. Ein Produkt wie jedes andere. Mit dem Führungswechsel in 2012 schlug die Marke eine völlig andere Richtung ein. Verpackungen wurden zur Werbefläche und Oatly erhörte den Wunsch der Verbraucher nach Ehrlichkeit. Mit witzigen, teilweise komplett irrelevanten Texten präsentiert sich die Marke als nahbar und authentisch und gewinnt die Sympathie der Käufer, indem sie sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Zeitweise wurde zum Beispiel über Anzeigen auf der Verpackung nach einem neuen Partner für eine Mitarbeiterin von Oatly gesucht. Es hat nichts mit Hafer zu tun, aber es ist charmant und stellt eine menschliche, emotionale Verbindung zum Verbraucher her. Auch wenn es darum geht, sich gegen Angriffe der Milchindustrie zu wehren, schlägt Oatly genau den richtigen Ton an. Als ein Milchhersteller in Schweden sich in einem Werbespot über die Marke lustig machte, übernahm Oatly die erfundenen Markennamen „Pjölk“ und „Brölk“ aus dem Spot und druckte sie zeitweise an Stelle von „Oatly“ auf seine Verpackungen. Das Unternehmen zeigt sich nicht streitsüchtig oder angriffslustig, sondern konzentriert sich auf seine Mission und Stärken.

Ziele trifft man nicht im Dunkeln

Oatlys Erfolg fußt aber natürlich nicht allein auf albernen Texten und witzigen Werbestrategien. Wenn nötig wird auch mal ein ernsterer Tonfall angeschlagen, etwa wenn es darum geht, dem Rest der Lebensmittelindustrie vor Augen zu halten, wie viel sie zum Klimawandel beitragen. Die Bedeutsamkeit dieses Themas wurde ganz klar auch in die visuelle Gestaltung des Brands einbezogen. Die Zielgruppe besteht aus umweltbewussten Menschen. Ein cleanes, reserviertes und vielleicht sogar kühl wirkendes Branding ist hier nicht angesagt. Stattdessen sollten Produkte für diese Zielgruppe eher einen handgemachten, leicht rohen Eindruck erzeugen. Das ist allein schon mit dem Look des Logos gelungen, das mit der Intention gestaltet wurde, es so wirken zu lassen, als habe der CEO es selbst von Hand ausgeschnitten. Illustrationen und Doodles, gedeckte Farben und ein verspielter Typo-Mix verstärken den SelfmadeLook zusätzlich. Damit hat Oatly ein Branding geschaffen, dass so gut ankommt, dass es das Erscheinungsbild einer ganzen Nische nachhaltig beeinflusst hat. Seit der Hype losgetreten wurde, ist eine ganze Reihe neuer Marken entstanden, die auf Hafer als Ersatzprodukt setzen, und auch altbewährte Hersteller traditioneller Milchprodukte bringen mittlerweile immer mehr Alternativen auf Haferbasis heraus.
Wie explosiv Oatlys Erfolg tatsächlich war, beweisen die Zahlen: Nur neun Monate nach dem Launch in Amerika kam es zu großen Lieferengpässen. Oatly war bis dahin so beliebt, dass viele Anhänger nicht mehr darauf verzichten wollten. So verkaufte sich ein Zwölferpack des Haferdrinks im Internet zeitweise für 226 Dollar. Inzwischen ist Oatly ein Global Player und steht nun vor der Herausforderung, sein nahbares, authentisches Image und Branding zu bewahren.

Brand Building beginnt beim Kunden

Die Macht des Brandings sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Soll es langfristig funktionieren und den richtigen Ton treffen, muss der Prozess immer damit beginnen, sich der Zielgruppe, ihrer Bedürfnisse und Werte bewusst zu werden. Werden diese dann überzeugend in das visuelle Erscheinungsbild der Marke eingebunden, entsteht ein starkes, konkurrenzfähiges Branding, das die beste Basis für nachhaltigen Erfolg bildet.
Loki Preußner

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